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Autonomieentwurf

Cornelius Castoriadis

AUSGEWÄHLTE SCHRIFTEN

Verlag Edition AV, Bodenburg

Die Elogen auf Castoriadis – als „letzten großen Repräsentanten der Tradition der europäischen Linken“ (A. Honneth) und „Titanen des Geistes“ (E. Morin) etwa – sind nicht gerade rar. Merkwürdig kontrastiert damit indes die vergleichsweise geringe Resonanz, die seine Arbeiten bislang zumindest im deutschsprachigen Raum gefunden haben. Dabei sind die Gesichtspunkte, unter denen sein Werk intensives Interesse verdient, außerordentlich vielfältig.

Seine Arbeiten ignorieren die konventionellen Disziplin- und Bereichsgrenzen, denn sie folgen unkonventionellen, unakademischen, unwissenschaftlichen – eben zutiefst politischen Motiven. Castoriadis spricht abwechselnd und zugleich als politischer Mensch, als Theoreti­ker und Historiker der revolutionären Arbeiterbewegung, als Ökonom, Soziologe, Psychoanalyti­ker und Philosoph. Dabei kreist sein Fragen in allen Dimensionen und Domänen des Denkens und Handelns letztlich um das für ihn zentrale Problem: die Verwirklichung der individuellen wie gesell­schaftlichen Emanzipation und Autonomie, im Sinne einer bewussten Selbstgesetzgebung des Gemeinwesens – und die schier unüberwindlich scheinenden Hin­dernisse dieser Verwirklichung.

Wer sich heute diesem Problem stellt, findet bei Castoriadis pro­funde Anregungen und klärende Orientierungen. Deshalb bleibt sein Werk aktuell, und die Herausgabe seiner „Ausgewählten Schriften“ auf Deutsch soll die Textgrundlage für eine neue Art von französisch/griechisch-deutschen Gedankengängen – in Anspielung an die Rede von den „deutsch-französischen Gedankengängen“ (B. Waldenfels) – schaffen, die jenseits ausgetretener Pfade liegen und bisher noch allzu wenig erkundet worden sind. 




Band 1

Autonomie oder Barbarei

Herausgegeben von Michael Halfbrodt und Harald Wolf
Mit einem Vorwort von Harald Wolf
ISBN 3-936049-67-X
ISBN 978-3-936049-67-1
221 Seiten, 17 €
August 2006

„Die Autonomie der Individuen, ihre Freiheit (…), hat auch vor allem die gleiche Teilhabe aller an der Macht zum Inhalt, ohne die es natürlich keine Freiheit gäbe, ebenso wenig wie Freiheit ohne Gleichheit. Wie könnte ich frei sein, wenn andere als ich über das entscheiden, was mich betrifft und ich an dieser Entscheidung nicht teilnehmen darf?“ (Castoriadis)

Der erste Band der Ausgewählten Schriften versammelt politisch pointierte und direkt auf aktuelle politisch-theoretische Fragestellungen bezogene Texte aus den 1980er und 1990er Jahren. Sie gehören zum Themenkreis „Probleme einer Politik der Autonomie heute“ und befassen sich mit verschiedenen Aspekten der revolutionären, radikaldemokratischen Tradition – mit Rückblicken auf die griechi­sche Antike, aber auch den Mai 68 – und der „demokratischen“ Theorie und Praxis in der kapitalis­tischen Gegenwartsgesellschaft. Als Einstieg dient ein Interview mit Castoriadis, in dem sein politisches Fragen und Wollen vor dem Hintergrund der Biographie plastische Konturen gewinnt.

Autonomie oder Barbarei: dieses im Grunde alte Thema bildet den roten Faden. Weshalb diese Leitformel? Castoriadis fasst die Möglichkeit ins Auge, dass gegenwärtig eine lange, durch katastrophische, aber auch frucht­bare gesellschaftliche und politische Konflikte geprägte schöpferische geschichtliche Epoche ihren Abschluss findet. Eine Epoche, die nicht nur den Triumphzug von Kapitalis­mus und Totalitarismus, sondern auch eine Renaissance und Fortentwicklung emanzipatorischer Bewegungen sah. Eine dunkle historische Phase könnte sie ablösen, gekennzeichnet von blinden Gewaltausbrüchen und gesellschaftlicher Desintegration, doch ohne geschichtliche Kreativität und Alternative. Für diese historische Tendenz steht bei Castoriadis – bereits in der ursprünglichen, klassischen Kampfformel Socialisme ou Barbarie – das Wort Barbarei. Die Texte des Bandes markieren und diskutieren – gegen den Strom – die Fluchtli­nien einer Wiederaufnahme und Fortführung des kollektiven und individuellen Entwurfs der Autonomie.

Aus dem Inhalt
Der Anstieg der Bedeutungslosigkeit – Demokratie als Verfahren und 
Demokratie als System – Welche Demokratie? – Wesen und Wert der Gleichheit – Macht, Politik, Autonomie – Die Bewegungen der sechziger Jahre – Die Idee der Revolution


Band 2

Vom Sozialismus zur autonomen Gesellschaft

2.1 Über den Inhalt des Sozialismus

Herausgegeben von Michael Halfbrodt und Harald Wolf
Übersetzt von Michael Halfbrodt
Mit einem Vorwort von Harald Wolf
ISBN 978-3-936049-88-6
252 Seiten, 17 €
Oktober 2007

Der zweite Band der Ausgewählten Schriften von Cornelius Castoriadis dokumentiert seine allmähliche Abwendung vom Marxismus und seine sich radikalisierende Kritik an dem auch in der vermeintlich revolutionären marxistischen Bewegung vorherrschenden Typus von Theorie und Praxis, der die emanzipatorische, radikaldemokratische Bewegung mehr und mehr behindert und im „Realsozialismus“ ins barbarische Gegenteil verwandelt hat. Die Kritik mündet in die Formulierung, dass man sich nunmehr vor die Entscheidung gestellt sehe, entweder Marxist oder Revolutionär zu bleiben. Der vorliegende erste Teilband versammelt  neben einem ausführlichen Interview, das Entstehungskontext und geschichte sowie die allgemeinen Perspektiven des Castoriadis’schen Denkens in der Zusammenschau vor Augen führt, zentrale, zum größten Teil erstmals auf Deutsch veröffentlichte Texte wie die dreiteilige Aufsatzreihe „Über den Inhalt des Sozialismus“, die zu Klassikern libertärer Gesellschaftskritik und politischen Denkens geworden sind. In ihnen werden gerade heute wieder aktuelle Alternativen sowohl zum kapitalistischen status quo wie zur seinerzeitigen (schein-) sozialistischen Opposition konkret herausgearbeitet und ebenso prägnant wie streitlustig auf den Punkt gebracht.

Aus dem Inhalt
Warum ich kein Marxist mehr bin – Über den Inhalt des Sozialismus I – Über den Inhalt des Sozialismus II – Über den Inhalt des Sozialismus III: Der Kampf der Arbeiter gegen die Organisation des kapitalistischen Unternehmens


Band 2

Vom Sozialismus zur autonomen Gesellschaft

2.2 Gesellschaftskritik und Politik nach Marx

Herausgegeben von Michael Halfbrodt und Harald Wolf
Übersetzt von Michael Halfbrodt
Mit einem Vorwort von Harald Wolf
ISBN 978-3-86841-002-0
273 Seiten, 17 €
September 2008

Der zweite Teilband von Vom Sozialismus zur autonomen Gesellschaft wird durch den langen Aufsatz „Die revolutionäre Bewegung im modernen Kapitalismus“ eröffnet – ein Schlüsseltext im Werk von Castoriadis, der die Modernisierung des Kapitalismus in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg zum Thema hat. Der Text stellt ein Experimentierfeld für eine Fülle von neuen Gedanken und Gesichtspunkten der gesellschaftlichen Analyse und Kritik dar, die Castoriadis in späteren Arbeiten – etwa in Gesellschaft als imaginäre Institution – wieder aufnehmen und weiter entwickeln wird. Die weiteren Beiträge begründen die Ablösung des Sozialismus- durch den Autonomiebegriff als Kernelement emanzipatorischer Politik und analysieren die Krise der westlichen sowie die Implosion der östlichen Gesellschaften „realsozialistischen“ Musters. Erkennbar werden in all diesen Texten die Konturen einer radikalen Gesellschaftskritik und Politik nach Marx.

Aus dem Inhalt
Die revolutionäre Bewegung im modernen Kapitalismus – Anhang zur ersten englischen Ausgabe von „Die revolutionäre Bewegung im modernen Kapitalismus“ – Einleitung zur englischen Ausgabe von „Die revolutionäre Bewegung im modernen Kapitalismus“ von 1974 – Sozialismus und autonome Gesellschaft – Die Krise der westlichen Gesellschaften – Der Zerfall des Marxismus-Leninismus


Band 3

Das imaginäre Element und die menschliche Schöpfung

Herausgegeben von Michael Halfbrodt und Harald Wolf
Übersetzt von Michael Halfbrodt
Mit einem Vorwort von Harald Wolf
ISBN 978-3-86841-035-8
366 Seiten, 17 €
September 2010

Le Monde morcelé, die zerstückelte, fragmentierte Welt, so lautet der Titel einer der Textsammlungen, in denen Cornelius Castoriadis nach seinem Hauptwerk Gesellschaft als imaginäre Institution seine Arbeitsergebnisse veröffentlichte. Diese Titelwahl begründet er so: „Die Welt – nicht nur unsere eigene – ist zerstückelt. Trotzdem zerfällt sie nicht in Stücke. Dies zu reflektieren scheint mir eine der Hauptaufgaben der heutigen Philosophie zu sein.“ Das ist auch ein passendes Motto für diesen dritten Band der Ausgewählten Schriften. Alle hier versammelten Texte stellen sich dieser Aufgabe, indem sie die Leitideen von Castoriadis, seine „idées mères“ – Schöpfung, radikale Imagination, das gesellschaftlich-geschichtliche Imaginäre und die sich instituierende Gesellschaft, Magma – auf philosophischem, soziologischem, wissenschaftstheoretischem und -geschichtlichem sowie psychoanalytischem Terrain fruchtbar machen und weiter entwickeln.

Aus dem Inhalt
Vorwort zu Domaines de l’homme – Das Imaginäre: die Schöpfung im gesellschaftlich-geschichtlichen Bereich – Die Entdeckung der Imagination – Institution der Gesellschaft und Religion – Die Logik der Magmen und die Frage der Autonomie – Ontologische Tragweite der Wissenschaftsgeschichte – Individuum, Gesellschaft, Rationalität, Geschichte – Zeit und Schöpfung – Physis, Schöpfung, Autonomie – Komplexität, Magmen, Geschichte – Imagination, Imaginäres, Reflexion


Band 4

Philosophie, Demokratie, Poiesis
 
Herausgegeben von Michael Halfbrodt und Harald Wolf
Übersetzt von Michael Halfbrodt
Mit einem Vorwort von Harald Wolf
ISBN 978-3-86841-063-1
288 Seiten, 17 €
Oktober 2011

Neben der insbesondere in Band 3 dokumentierten „radikalen ontologischen Kehrtwendung“ hin zum imaginären Element und zur menschlichen Schöpfung, die Castoriadis in Angriff nahm, bemühte er sich in den 1980er und 1990er Jahren um eine Neuaufnahme und Neubewertung der antiken Quellen der Befreiungsbewegungen der Moderne. Band 4 der Ausgewählten Schriften legt seine wichtigsten Arbeiten vor, die er in den Sammelbänden der Carrefours du labyrinthe-Reihe zur griechischen polis und zu der griechischen Doppelschöpfung von Demokratie und Philosophie publiziert hat. In ihnen hält er den geläufigen Vorstellungen von der Bedeutungslosigkeit und Antiquiertheit der antiken griechischen Schöpfungen und Erfahrungen ein überzeugtes De te fabula narratur entgegen: Wenn du Autonomie willst, dann ist hier von dir die Rede! Außerdem enthält der Band die ausführliche Selbstbilanz „Getan und zu tun“ aus dem Jahr 1989.   

Aus dem Inhalt
Die griechische polis und die Schöpfung der Demokratie – Das „Ende der Philosophie“? – Das griechische und das moderne politische Imaginäre – Die athenische Demokratie: falsche und richtige Fragen – Das Elend der Ethik – Anthropogenie bei Aischylos und Selbstschöpfung des Menschen bei Sophokles – Getan und zu tun


Band 5

Psychische Monade und autonomes Subjekt

Herausgegeben von Michael Halfbrodt und Harald Wolf
Übersetzt von Michael Halfbrodt
Mit einem Vorwort von Harald Wolf
ISBN 978-3-86841-081-5
260 Seiten, 17 €
November 2012

Der fünfte Band der Ausgewählten Schriften versammelt Aufsätze, die sich der Psyche, der Psychoanalyse und dem Denken Freuds widmen. Seit Anfang der 1970er Jahre intensivierte Castoriadis seine Beschäftigung mit diesem Problemkreis, und seit 1973 bis zu seinem Tod praktizierte er auch als Psychoanalytiker. Im Hauptwerk Gesellschaft als imaginäre Institution sowie in Durchs Labyrinth legte er den Grundstein für originelle und weitreichende Umakzentuierungen und Weiterentwicklungen des psychoanalytischen Projekts. Der Titel Psychische Monade und autonomes Subjekt markiert die beiden Pole, auf die er sich dabei bezieht und die für ihn die wahre Bedeutung der Freud‘schen Psychoanalyse ausmachen: die Entdeckung der psychischen Realität und den emanzipatorischen Horizont. „Ich definiere die Psychoanalyse… als praktisch-poietische Tätigkeit, was auch das Definitionsmerkmal der beiden anderen, laut Freud ‚unmöglichen Berufe‘ ist. Die Psychoanalyse ist, wie die Pädagogik und die Politik, das Einwirken einer Autonomie auf eine andere, virtuelle Autonomie, und ihr Ziel ist die Schöpfung zweier neuer Formen: autonome Personen und eine autonome Gesellschaft.“

Aus dem Inhalt
Psychoanalyse und Gesellschaft I und II – Von der Monade zur Autonomie – Die Krise des Identifikationsprozesses – Freud, Gesellschaft, Geschichte – Psychoanalyse und Politik – Der Weltaufbau in der Psychose – Leidenschaft und Wissen – Psychoanalyse und Philosophie – Die Psychoanalyse: Situation und Grenzen – Der Zustand des Subjekts heute


Band 6

Kapitalismus als imaginäre Institution

Herausgegeben von Michael Halfbrodt und Harald Wolf
Übersetzt von Michael Halfbrodt und Horst Brühmann
Mit einem Vorwort von Harald Wolf
ISBN 978-3-86841-095-2
366 Seiten, 17 €
März 2014

Der vorläufig letzte Band vervollständigt das Themenspektrum der Edition mit einer Reihe von Texten zur Analyse der kapitalistischen Wirtschaft und zur Kritik der ökonomischen Theorie. Der Titel formuliert in der Begrifflichkeit der späteren gesellschaftstheoretischen Reflexionen seit Gesellschaft als imaginäre Institution (1975) eine zentrale Pointe der hier versammelten Arbeiten, die von Anfang der 1950er Jahre bis 1997, dem Todesjahr des Autors, entstanden sind.

Aus dem Inhalt
Allgemeine Einleitung – Marx heute – Markt, Kapitalismus, Demokratie – Über die Dynamik des Kapitalismus – Die Lohn- und Einkommenshierarchie – Wert, Gleichheit, Gerechtigkeit, Politik. Von Marx zu Aristoteles und von Aristoteles zu uns – Betrachtungen über „Entwicklung“ und „Rationalität“ – Von der Ökologie zur Autonomie – Die „Rationalität“ des Kapitalismus


Band 7

Ungarn 56 | Die ungarische Revolution

Herausgegeben von Andrea Gabler, Michael Halfbrodt und Harald Wolf
Übersetzt von Michael Halfbrodt
Mit einem Vorwort von Andrea Gabler und Harald Wolf sowie einem Nachwort von Harald Wolf
ISBN 978-3-86841-176-8
160 Seiten, 16 €
Oktober 2016

Im Oktober 2016 jährt sich zum 60. Mal der Ausbruch der ungarischen Revolution von 1956 – ein Anlass, um über die Aktualität dieser – in den Worten von Castoriadis – „ersten totalen Revolution gegen den totalen bürokratischen Kapitalismus“ nachzudenken und an ihre bleibenden Lehren zu erinnern. Die Texte in diesem Band stehen unter einem von Castoriadis zunächst 1956 formulierten und dann 1976 wieder aufgenommenen Motto: „In den kommenden Jahren werden alle relevanten Fragen auf die eine hinauslaufen: Seid ihr für oder gegen die Aktionen und das Programm der ungarischen Arbeiter?“

Aus dem Inhalt
Vorwort von A. Gabler und H. Wolf – Die proletarische Revolution gegen die Bürokratie – Die ungarische Quelle – Anhang (Nachwort von H. Wolf, Zeittafel, Personenverzeichnis, Bibliographische Hinweise, Register)

Band 8

Durchs Labyrinth

Herausgegeben von Michael Halfbrodt und Harald Wolf
Übersetzt von Horst Brühmann
Mit einer Vorbemerkung von Harald Wolf
ISBN 978-3-86841-231-4
328 Seiten, 17 €
Januar 2020

Durchs Labyrinth ist die Neuausgabe der ersten und einzigen vollständigen deutschen Übersetzung einer der unter der Flagge Carrefours du labyrinthe segelnden Aufsatzsammlungen von Cornelius Castoriadis, in denen er seit den späten 1970er Jahren seine wichtigsten Arbeitsergebnisse präsentierte. Durchmessen und weitergetrieben werden in ihm die labyrinthischen Gänge der Psychoanalyse, der modernen Wissenschaft und Technik sowie notwendigerweise immer wieder auch die der Philosophie.

Aus dem Inhalt
Vorwort – Epilegomena einer Theorie der Seele, die man als Wissenschaft hat ausgeben können – Die Psychoanalyse als Projekt und Aufklärung – Das Jagbare und das Unsagbare – Moderne Wissenschaft und philosophische Fragestellungen – Technik

Gesamtregister

Die Register der Bände 1, 2.1, 2.2 und 3 der Ausgewählten Schriften von Cornelius Castoriadis sind in diesem vorläufigen Gesamtregister zusammengeführt, korrigiert und um weitere Belegstellen und Begriffe ergänzt worden.